Das Leuchten am Rande des Abgrunds – drei Inspirationen
Wie die Zeit vergeht! Inzwischen ist es schon über ein Jahr her, dass “Das Leuchten am Rande des Abgrunds” erschienen ist. Als ich im November 2018 meine Buchdateien hochlud, hätte ich nie gedacht, dass dieses kleine Büchlein so grosse Aufmerksamkeit bekommen und am Ende gar auf der Shortlist für den SERAPH 2019 landen würde.
Wie jede*r Autor*in weiss, steht hinter einem Buch viel mehr als nur eine einzelne gute Idee. Die Inspiration zu einer bestimmen Geschichte ist immer eine Summe, ein perfektes Zusammenspiel aus grossen und kleinen Details. Und über drei dieser Details möchte ich hier sprechen – natürlich ohne grössere Spoiler für den Roman (wer das Buch schon kennt, findet unter Extras ausführlichere Gedanken und Einblicke).
Hier kommen meine beiden grössten Inspirationen – und eine kleine, aber umso wichtigere:
Inspiration Nummer eins: die aktuellen Entwicklungen
Das Leuchten am Rande des Abgrunds ist in allerster Linie ein dystopischer Roman ( – aber nicht nur …). Und eines zeichnet jede gute Dystopie aus: sie hält der Gesellschaft den Spiegel vor, indem sie aufzeigt, wohin eine Entwicklung führen könnte, wenn sie in eine bestimmte Richtung weitergeführt wird – auch wenn die besten Absichten dahinter stehen.
Daher ist meine Geschichte auch von aktuellen Ereignissen beeinflusst, die mir ehrlich gesagt ein bisschen Angst machen.
Der Sommer 2018 war ungewöhnlich heiss, und es war schon fast surreal, über die Hitze zu schreiben und sie gleichzeitig zu erleben … Gruselig, wenn die Realität die Fiktion ein- und überholt; und grade als Autorin von dystopischen Romanen wird mir immer wieder bewusst, wie schnell wir in einem solchen dystopischen Szenario landen könnten (oder vielleicht sogar schon gelandet sind?).
Hitzewellen, schmelzende Eismassen, steigende Meeresspiegel, Stürme, Waldbrände, Wassermangel … Viele der Artikel und Berichte, die ich teils zu Recherchezwecken, aber teils auch aus Interesse las und ansah, beunruhigten mich zutiefst. Schon in 40 Jahren werden laut den Forschern deutliche Folgen der Erwärmung noch deutlicher zu spüren sein, und das ist gar nicht mehr so weit weg. Für meine Protagonisten sind sie bereits Realität. Ob ich so leben möchte wie Sam und die anderen Menschen in meiner Geschichte? Auf gar keinen Fall!
Als grosse Liebhaberin von Tieren macht mir zudem das Artensterben grosse Sorgen. Schon seit Jahren hört und liest man immer wieder davon, dass gerade die Bienen gefährdet seien, aber kürzlich haben Wissenschaftler alarmierende Ergebnisse einer Langzeitstudie veröffentlicht. Die Insektenmasse ist seit 1989 um 75 Prozent (!) geschrumpft. Dass diese Entwicklung verheerende Folgen für unsere Welt haben kann, ist ohne Frage.
In meiner Geschichte bildet dieses Phänomen zwar nur ein Detail im Hintergrund (da die Entwicklung schon weit fortgeschritten ist), aber die Folgen werden immer wieder kurz angesprochen.
Was können wir Menschen gegen diese bedrohlichen Zustände unternehmen? In meinem Buch – wie in der Realität auch – glauben viele an die Macht der Wissenschaft, doch ist das die Lösung, oder nur die Quelle weitere Probleme?
Inspiration Nummer zwei: die Ewigkeit von Geschichten
Neben der Dystopie findet man in meine Roman auch Spuren von bitter-süsser Romanze und düsterem Märchen.
Da ich schon immer eine begeisterte Leserin war und später auch Anglistik und Germanistik mit dem Schwerpunkt Literatur studiert habe, liebe ich alle Arten von Geschichten. Besonders faszinierend fand und finde ich dabei Intertextualität, das heisst, die Beziehungen, die Texte zueinander haben (z.B. durch Verweise oder Erwähnungen).
Ein grosses Thema in Das Leuchten am Rande des Abgrunds sind daher Geschichten. Die Tatsache, dass viele Menschen in der Welt des Romans keine erzählende Literatur mehr lesen, ist nur ein weiteres Vorzeichen des langsamen Untergangs – denn nichts ist so eng mit der Geschichte der Menschheit verknüpft wie Erzählungen.
Die beiden Hauptfiguren, Sam und Alexis, sprechen immer wieder über literarische Werke, die sie – aus ganz verschiedenen Gründen – sehr geprägt haben. Dazu gehören nicht nur Klassiker wie Alexandre Dumas’ “Der Graf von Monte Christo” oder Mary Shelleys “Frankenstein”, sondern auch ein Märchen. “Die kleine Meerjungfrau” von Hans Christian Andersen spielt sogar eine ganz besondere Rolle – warum genau wird hier natürlich nicht verraten.
Ausserdem zitiert Alexis in einer meiner persönlichen Lieblingsszenen am Strand ein Gedicht. Es handelt sich dabei um Edmund Spensers Sonnet 75 („One day I wrote her name upon the strand“) aus Amoretti.
Das zentrale Thema des Gedichts ist nicht (oder nicht nur) die Liebe, sondern der Konflikt zwischen der Vergänglichkeit alles Natürlichen und der Ewigkeit der Kunst. Offen bleibt, ob die weibliche Person (“sie”), die der Sprecher durch sein Gedicht verewigen will, eine reale Frau ist, oder die See (das Meer).
Ewigkeit ist ein sehr zentrales Motiv in Leuchten, und Geschichten (also Kunst in der Form von Literatur) sind ein Weg, zumindest eine Form von Unsterblichkeit zu erreichen.
Inspiration Nummer drei: zwei ganz besondere Kater
Neben diesen beiden grossen Inspirationen zuvor mag dieses Detail geradezu winzig wirken, und doch war es das Steinchen, dass den Felsen ins Rollen brachte.
Eigentlich war die ganze Geschichte so nicht geplant. Zumindest nicht für 2018. Anfang des Jahres war sie nichts weiter als eine Szenenskizze und eine vage Idee in einem Ordner auf meinem Computer. Doch dann passierte so vieles, was meine eigentlichen Pläne über den Haufen warf. Und plötzlich war diese Geschichte da – wohl weil es die einzige Geschichte war, die ich nach alldem erzählen konnte.
2018 war ein Jahr wie eine Achterbahnfahrt. Es gab enorme Tiefen und gigantische Höhen – der Tod meiner zwei geliebten Kater auf der einen und der Gewinn beim Skoutz Award auf der anderen Seite. Und die Arbeit an diesem Buch stand dem in nichts nach, war sozusagen eine Miniaturversion meines Jahresverlaufs.
Die entstandene Geschichte reflektiert genau das, bis hin zu einem kleinen, aber wichtigen Detail:
Die meisten Tiere, die erwähnt werden, sind Insekten (Bienen, Schmetterlinge, Glühwürmchen) oder Wirbellose (Frösche, Axolotl, Seeschnecken). Das einzige präsente Säugetier ist ein grauer Kater. Er ist nicht nur ein Zeichen meiner grossen Liebe zu Katzen, sondern eine Erinnerung an meine verstorbenen Kater Oli und Tiger (beide grau), denen das Buch auch gewidmet ist. Mein Versuch, ihnen ein kleines Stück Ewigkeit zu verschaffen.
Und keine Angst: obwohl zwei der drei genannten Inspiration durchaus eine düstere Dimension haben, ist Das Leuchten am Rande des Abgrunds kein dunkles oder deprimierendes Buch. Wie der Titel schon andeutet – und wie es auch in anderen meiner Geschichten der Fall ist – gibt es auch in der tiefsten Düsternis noch eine Spur (oder ein Leuchten) von Hoffnung.
Eine Leseprobe gibt es übrigens hier.
Bilder: Cover von Rica Aitzetmüller (Cover&Books)
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